Hier mal ein paar Worte in eigener Sache, als Mutter eines Kindes mit psychischen Problemen:
Wenn ein Kind krank ist, egal wie alt es ist, dann will man als Mama helfen, alles tun, damit es ihm wieder besser geht. Kann man ein Pflaster draufkleben, ein bisschen Salben auftragen, mal pusten und Heile heile Gänschen singen, ist das schnell erledigt und zeigt Wirkung. Mama hat geholfen! Ein paar tröstende Worte, vielleicht ein Medikament, ein Arztbesuch, all das kann zur Genesung beitragen. Es gibt eine Lösung, einen Plan … Möglichkeiten, auch bei chronischen Erkrankungen.
Manifestiert sich die Krankheit aber in der Psyche, ist Hilfe nicht immer so leicht zu gewähren, wird die Not der Betroffenen von Außenstehenden oft nicht erkannt. Da wird eher noch Druck auf alle Beteiligten ausgeübt, als würde das Unverständnis nicht schon reichen.
Mal frei von meiner Seele weg gebrüllt, heißt das:
Wo sind denn die Experten, Besserwisser, Kluge-Ratschläge-Erteiler …
- Wenn ich morgens am Bett meiner Tochter sitze und versuche, sie mit Engelszungen dazu zu überreden, einen Anlauf für die Schule zu starten.
- Wenn mir meine Hilflosigkeit bewusst wird, weil sie noch nicht einmal in der Lage ist zu sagen: Mama lass mich in Ruhe. Sondern sich wie ein Embryo unter der Bettdecke zusammenrollt.
- Wenn diese Hilflosigkeit mich überrollt und die Kaffeetasse in meinen Händen zittern lässt und die Tränen anfangen zu laufen.
- Wenn die Sorge um ihre (schulische/berufliche) Zukunft mich wie ein gefangener Tiger im Käfig durch die Wohnung wandern lässt.
- Wenn bei jedem Telefonklingeln das Adrenalin in die Adern schießt, weil es ja das Kind sein könnte, das wieder Blut überströmt vom Ritzen zu Hause sitzt.
- Wenn die Angst um meinen Job mir Magenschmerzen bereitet, weil ich mehrfach in der Woche alles stehen und liegen lassen muss, um nach Hause zu meiner Tochter zu fahren.
- Wenn die Gestaltung der eigenen Freizeit sich irgendwann nur noch darum dreht, das Kind zu beschäftigen, damit es auf positive Gedanken kommt.
- Wenn die kleine Schwester aus Angst um die Große weint.
- Wenn die Kraft nachlässt, selbst die kleinsten Alltagshandlungen zu erledigen, weil alle Energie in diesen Gedankenkreisel „Was – Wenn – Wie“ fließt.
- Wenn der Vater seinem Kind Sätze wie „Kommst du jetzt in die Klapse?“ und „Tabletten darfst du nicht nehmen, die machen abhängig und verändern dich!“ straffrei an den Kopf wirft und sich dann beschwert, dass sie ihn nicht mehr sehen will.
- Wenn das Familiengericht mögliche Hilfe durch Beschlüsse unmöglich macht, weil oben erwähnter Erzeuger in hysterischer Eifersucht zum UNwohl der Kinder handelte.
- Wenn diese vernichtende Welle über mich rollt, ich versuche mit meinen Gefühlen, dem Verstand und der Seele das zarte Pflänzchen der Hoffnung zu schützen und zu düngen.
- Wenn teuer bezahlte Experten nichts Besseres auf Lager haben, als Ratschläge zu geben, die wir selbst erarbeitet habe und schon wochenlang befolgen.
- Wenn keiner der um Hilfe Gebetenen sich zuständig fühlt und man von einem zum anderen durchgereicht wird.
- Wenn das Hamsterrad immer schneller wird und ich Angst habe, ins Trudeln zu geraten.
WO SEID IHR DANN!!??
Sorry, musste mal sein.
Ich habe jetzt von einer Kollegin einen Flyer einer Angehörigengruppe bekommen, die ich besuchen werde. Vielleicht gibt mir der Austausch mit ihnen die nötige Kraft, diese never ending story mit hoch erhobenem Haupt weiter zu betreiben.